Cora Piantoni
Der Widerstandskiosk, 2025
3 Fahnen, Format: 130 x 350 cm, Stormflag
21.3 bis 1.5.25
Mit der Fahnenmastbespielung Der Widerstandskiosk wirft die Künstlerin Cora Piantoni ein Schlaglicht auf das politische Engagement von Margot und Ludwig Linsert im Widerstand gegen das NS-Regime in den 1930er-Jahren und in demokratischen Institutionen nach 1945. Neben Fotografien zeugen Zitate von den Bedingungen ihrer widerständigen Arbeit und ihrem Einsatz für die Demokratie.
Margot und Ludwig Linsert gehörten dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund ISK an, einer Widerstandsgruppierung der Arbeiterbewegung. Die Linserts betrieben im Münchner Stadtteil Laim ein Lebensmittelgeschäft, das von 1933 bis 1938 eine wichtige Anlaufstelle für Widerstandskämpfer*innen war. Hier gaben sie Informationen weiter und halfen ISK-Mitgliedern bei der Flucht oder beim Untertauchen. Das Erkennungszeichen der Gruppe war die Frage nach einem nicht mehr gebräuchlichen Produkt - dem Hutzucker - sowie das Ablegen von Münzen in einer bestimmten Formation.
Das Ehepaar druckte mit einem Abziehapparat unter der Bettdecke Flugblätter und verteilte sie in den frühen Morgenstunden in den Arbeiter:innenvierteln sowie vor Fabriken im Münchner Westen. Gemeinsam mit anderen ISK-Mitgliedern entlarvten sie mit ihren Flugblättern die Propaganda des NS-Regimes und brachten antinazistische Parolen als Schriftzüge im öffentlichen Raum an. Für letzteres wendeten sie eine Technik mit Silbernitrat an, bei welcher der nachts angebrachte Aufruf erst am nächsten Morgen bei Einwirkung des Tageslichts sichtbar wurde.
Das Verteilen von Flugblättern und das Verbreiten von Informationen war eine extrem riskante und mutige Unternehmung, denn es drohten lange Haft oder sogar die Todesstrafe. Ludwig Linsert wurde 1938 festgenommen und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Getarnt als unwissende junge Mutter konnte Margot Linsert der Verhaftung entgehen und arbeitete bis 1943 weiter in ihrem Lebensmittelgeschäft.
Als ehemalige Widerstandskämpfer*innen und engagierte Mitglieder der SPD waren die Linserts nach 1945 wichtige Protagonist:innen beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland. Wie viele Mitglieder des ISK wirkten sie an der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB sowie der Neugründung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands SPD mit. Ludwig Linsert war ab 1950 DGB-Kreisvorsitzender und von 1958 bis 1969 DGB-Landesvorsitzender. Darüber hinaus war er war Mitglied des Bayerischen Senats (1956 bis 1969) und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten (1969 bis 1971).
Neben den drei Fahnen wird eine Auswahl des Recherchematerials, das aus verschiedenen Münchner Archiven stammt, in der Ausstellung Ein Haus ohne Mauern bauen im Amerikahaus vom 21.3 bis 31.5.25 zu sehen sein.
Bildnachweis: (1) Privat / Familie Linsert, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München. Salzburg 2006. (2) Cora Piantoni, 2024 (3) Berthold Fischer, 1954, in: Bestand „DGB-Bibliothek, Fotosammlung“, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
Zitatnachweis: Archiv der Münchner Arbeiterbewegung, Zeitzeugen-Interview mit Margot Linsert, geführt von Wolfgang Peschel, 1991.
Quellen: Bestand Margot und Ludwig Linsert, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
Bestand Katrin Seybold, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, ED 973/197
Kulturgeschichtspfad München-Laim, Kulturreferat der Landeshauptstadt München, 2009,
Archiv der sozialen Demokratie, Friedrich-Ebert-Stiftung
Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt: Linsert, Margot (publiziert am 08.02.2024), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/linsert-margot-510 [19.03.2025]
Margrit Grubmüller/Kurt Lehnstaedt: Linsert, Ludwig (publiziert am 16.01.2025), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, URL: https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/linsert-ludwig-509 [19.03.2025]
Cora Piantoni & Caroline Sternberg, 2025
Kontakt: webmaster@hausohnemauern.de
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